Rezension Das Fahrrad von Hans-Erhard Lessing
Das Buch
Das Fahrrad, eine Kulturgeschichte. Hans-Erhard Lessing, geboren in Schwäbisch Gmünd, also in der Geburtsstadt des Unimog1, hat in akribischer Feinarbeit die Geschichte des Fahrrades aufgearbeitet und in dem nun vorliegenden Buch zusammengestellt. Das Buch beginnt nicht erst beim Freiherrn von Drais, sondern weit vorher bei den ersten technischen Hilfsmitteln, die die Fortbewegung der Menschen beschleunigten.
Lessing erzählt 200 Jahre Geschichte von der Laufmaschine über Hoch- und Niederrad, über das Rennrad bis zum Mountainbike. Er geht dabei insbesondere auf technische, aber auch viele gesellschaftliche Entwicklungen ein und hat dabei einige Überraschungen in der Hinterhand. Hätten sie gedacht, dass ein Vulkan mit der Entwicklung des Fahrrades in Verbindung steht?
Rezension
Das Buch zeichnet die sehr detaillierte Geschichte der Entwicklung des heutigen Fahrrades. Meine erste Befürchtung, dass es ein recht trockenes Buch sein könnte, hat sich sehr schnell verflüchtigt. Mit einer gewissen Leichtigkeit erzählt Hans-Erhard Lessing von den ersten technischen Hilfsmitteln, die die Menschen zur beschleunigten Fortbewegung nutzten. Dabei habe ich unter anderem erfahren woher der Begriff Eisbein stammt. Ich hätte eine Schweinshaxe niemals in Verbindung mit einem Fahrrad gebracht! Über weitere überraschende Verbindungen, wie zum Beispiel der Zusammenhang mit dem Ausbruch des Vulkans Tambora2 1815 in Indonesien, habe ich wirklich gestaunt. Ebenso die Entstehung der Tour de France hätte ich niemals in diesem Bereich vermutet, wie er im Buch erzählt wird.
Stellenweise hat sich Lessing dann doch, für meinen Geschmack, ein wenig zu tief in den Details verloren, so dass das Lesen etwas anstrengend wurde. Dieser Abschnitt ging aber bald vorbei und neue Themen hatten wieder meine volle Aufmerksamkeit. Die Rolle bzw. das gesellschaftliche Bild der Frau findet immer wieder Erwähnung. Für mich, aufgewachsen in den 80er und 90er Jahren, fast unvorstellbar mit welchen gesellschaftlichen Rollenbildern die Frauen damals konfrontiert waren.
Selbst die Kirche ist anfangs absolut gegen das Fahrrad positioniert und es soll sogar Geistliche gegeben haben, die Radfahrern das Höllenfeuer prophezeit haben. Fast schon irrwitzig sind die diversen Krankheiten, deren Ursache man dem Fahrrad zugeschrieben hat.
Die Geschichte endet in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Beginn der Ära Mountainbike. Gerne hätte ich noch ein wenig mehr über die Entwicklung bis heute gelesen. Zum Beispiel über den Trend, immer leichtere Räder mit Carbon und Kunststoffen zu bauen oder die zunehmende Digitalisierung und Elektrifizierung. Mittlerweile kann man die Gangschaltung schon elektrisch per Knopfdruck bedienen.
Dass der Autor ein Physiker ist, lässt sich nicht leugnen. Die Erklärung, dass wir auf der Erde mit (Wasser-)Eis großes Glück haben, gegenüber einem fiktiven Planeten mit Naphtalin-Seen, ist ein auflockernder wie lehrreicher Einwurf.
Fazit
Für mich als Radfahrer, der sein Auto abgegeben hat und sich nun seit knapp einem Jahr hauptsächlich auf zwei Rädern fortbewegt, war das Buch quasi ein Muss. Ich kann es jedem fahrrad- und technikbegeisterten Leser wirklich empfehlen.
Ein lockerer Schreibstil, gehoben, aber nicht abgehoben, gepaart mit interessanten und kuriosen Details, lassen selbst vermeintlich trockene Geschichte lebhaft werden.
Eine klare Leseempfehlung! 4 von 5 Punkten.
Vielen Dank an den Verlag Klett-Cotta, der mir ein Rezensionsexemplar als ePub zur Verfügung gestellt hat.
Daten kompakt
Kaufen | Amazon |
Verlag | Klett-Cotta |
ISBN | 9783608913422 |
Erscheinungsdatum | 04.07.2017 |
Formate | gebundene Ausgabe, ePub |
Seiten | 255 |
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